Ausgangslage
Eine im 2017 in Krefeld DE veröffentlichte Studie zeigte, dass die Biomasse der Fluginsekten in Deutschland zwischen 1989 bis 2016 um 75% gesunken ist. Dieses Resultat hat die entomologische Welt in Aufruhr versetzt und auch die gesamtgesellschaftliche Debatte rund um das Insektensterben angekurbelt. In der Schweiz fehlen solche Langzeitstudien zur Entwicklung der Insektenpopulation. Das Bundesamt für Umwelt hat daher Carbotech den Auftrag erteilt, anhand einer Modellierung ein Gesamtbild des Verlusts der Insektenbiomasse über die letzten 30 Jahre in der Schweiz zu erstellen.
Vorgehen
Mittels Literaturrecherche und GIS-Analyse wurden Einflussfaktoren für die Entwicklung der Insektenbiomasse ermittelt. Durch den Vergleich von GIS-Karten unterschiedlicher Jahre, konnten Veränderungen in der Vegetation, der Infrastruktur und der Landnutzung identifiziert werden. In einem nächsten Schritt wurden die Einflussfaktoren mittels Expert*innen-Interviews auf ihre Relevanz beurteilt.
Eine Beurteilung der Gesamtsituation der Entwicklung der Insektenbiomasse fällt selbst Insektenspezialist*innen mit langjähriger Erfahrung schwer. Nur selten sind Beobachtungen und Erhebungen auf die Biomasse als gesamtes ausgelegt. Um das vorhandene Expert*innenwissen mathematisch verrechnen und in einem Modell abbilden zu können, wurde für diese Studie die Fuzzy Set Theory herbeigezogen.
Weiter wurden in vordefinierten Pilotregionen Testauswertungen und Feldbeobachtungen durchgeführt und die Resultate in das Modell miteinbezogen. Dieses wurde weiter justiert, getestet und verfeinert, bis die Situation und Zusammenhänge in den Pilotregionen zufriedenstellend abgebildet wurden. Die so gewonnenen Daten wurden daraufhin zur Analyse und Darstellung mit Geodaten kombiniert. So entstand eine Karte der Schweiz, welche den Druck auf die Insektenbiomasse in den Jahren 1990-2020 zeigt. Die Skalierung über den Verlust an Biomasse erfolgte im Vergleich zur potenziell maximalen Insektenbiomasse unter besonders günstigen Bedingungen.
Ergebnis
Insbesondere im Mittelland auf Agrarflächen und Wiesen lässt sich eine Abnahme der Insektenbiomasse beobachten. Dies aufgrund der Intensivierung der Bewirtschaftung von Agrar- und Wiesenflächen, welche in der Schweiz bereits seit vor 1990 zunimmt. Die Weiterentwicklung der Landmaschinen ermöglicht auch die Bestellung ehemals ungenutzter Flächen, welche als Habitate für Insekten dienten. Ein Grossteil des Verlusts an Insektenbiomasse könnte folglich bereits vor 1990 geschehen sein.
Auch in Berggebieten wirkt sich die Intensivierung der Wiesennutzung negativ auf die Insekten aus. Ein positiver Trend kann jedoch durch veränderte Klimabedingungen beobachtet werden, welche Insekten in Berggebieten neue Habitate erschliessen lassen. Auch im Gewässerraum kann ein Aufwärtstrend beobachtet werden. Dank Renaturierungen und besserem Wassermanagement sind wieder vermehrt Habitate für aquatische Insekten vorhanden. Die Entwicklungen im Wald gestalten sich verhältnismässig stabil. Diese Trends können lokal stark abweichen – je nach getroffenen Massnahmen, Aufwertungen und Anpassungen im Management.
Die Resultate der Studie sind nicht ganz so prekär wie jene der Krefeld Studie – die ermittelte Abnahme an Insektenbiomasse ist wesentlich tiefer. Die Studien sind aber auch nur bedingt vergleichbar.